Theaterwissenschaft München
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Alexandra Delic: La Vida es un Carnaval

Karnavaleske Gegenwelten in San Juan Chamula und Veracruz
(2003) Band 4


In mexikanischen Fiestas ist seit Jahrhunderten eine enorme Bandbreite theatraler Ausdrucksformen vorhanden für deren Vitalität und Vielfalt in Europa kein Vergleich zu finden ist. Weshalb aber investieren die Mexikaner soviel Zeit, Geld und spirituelle Energie in die Dramaturgie ihrer Feste? Nur die Festsituation schafft, im Gegensatz zum sanktionierten Alltag, kurzfristig den Raum für die Aufhebung sozialer Krisen, für die existentielle Auseinandersetzung mit kulturellen Tiefenschichten. Das erhöhte Bedürfnis nach Theatralität entlädt sich vor allem im Karneval von San Juan Chamula und Veracruz: Momente einer vorgegebenen Wirklichkeit werden isoliert und spielerisch in einen neuen Kontext gestellt. Der Karneval mit seinem theatralen Kode bietet die Freiheit, strategisch eine Gegenwelt als Metaebene zu konstruieren und in ihr alltägliche Traumata kathartisch zu bewältigen.
Der bisher von der Theaterwissenschaft vernachlässigte mexikanische Bereich wird sich als geeignet erweisen, das europäische Theatralitätskonzept zu überprüfen. Die vorliegende Analyse verbindet erstmals theatersemiotische, historische, sozialgeschichtliche und mythologische Ansätze auf der Basis kultureller Kontextualisierung zu einer großen, interdisziplinären Fragestellung.