Energien des Spektakels (Volkswagen-Stiftung)
Energien des Spektakels. Zur Theatralität der Elektrizität und der Elektrifizierung des Theaters, 1870-1930
Forschungsprojekt, gefördert von der Volkswagen-Stiftung
Projektleitung: Prof Dr. Ulf Otto
Mitarbeit: Miriam Höller M.A.
Laufzeit:
1. Phase 1.05.2012 - 30.11.2017 (Stiftung Universität Hildesheim)
2. Phase 1.12.2017 - 31.05.2020
Inhalt:
Zielsetzung
Aktuelle Projektphase
Abgeschlossene Projektphase
Personen und Kontakt
Zielsetzung des Projekts
Zentraler Forschungsgegenstand ist die Untersuchung einer Verknüpfung von Elektrifizierung und Theatralkultur mit der damit einhergehenden Leitfrage nach dem Verhältnis von Technik und Ästhetik im Kontext industrieller Kultur.
Die Elektrifizierung des Theaters um 1900 ist mehr als nur die Anwendung des Scheinwerfers auf die Szene. Mit dem Einzug der Ströme und Strahlen in Bühnenhaus und Zuschauerraum verändert sich grundlegend, wie Theater gemacht und gedacht wird. Von den alltäglichen Praktiken der Theaterarbeit bis hin zu den Diskursen der Theateravantgarden wird die industriell erzeugte und ingenieursmäßig kontrollierte Elektrizität wirksam. Der künstlerische Umbruch ist daher eng mit der kulturellen Durchsetzung des Elektrokonsums verbunden und steht im Kontext der Ausweitung des Nachtlebens in den Metropolen und des Arbeitsmarktes in den Peripherien. Sein Gegenüber hat er in den spektakulären Inszenierungen von Elektroingenieuren wie Tesla und Edison, die aus einer bis zu Aufklärung und Romantik zurückreichenden Tradition elektrischer Vorführungen hervorgehen. Ästhetik und Technik verhelfen sich in den Spektakeln des fin de siècle so gegenseitig zum Erfolg und konvergieren in einer Wiederverzauberung der Welt, die die Wirklichkeit der Produktion im Zeitalter fossiler Energien aufzuheben oder zumindest zu verschleiern verspricht.
Aktuelle Projektphase
Das Projekt befindet sich aktuell in einer zweiten Projektphase, die im Dezember 2017 gestartet ist. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind:
• Fahrgeschäfte und elektromechanische Unterhaltungskünste
• Der nervöse Körper der Elektromedizin
• Energetische Theaterapparate der Avantgarde
• Elektohygiene und Kolonialtheater
Teil des Forschungsprojektes ist auch das Promotionsvorhaben von Miriam Höller. Sie untersucht die Elektrifizierung eines Theaters im Kontext der Stadtkultur am Beispiel des Hoftheaters in Stuttgart.
Abgeschlossene Projektphase
In einer ersten Projektphase wurde untersucht, wie Elektrizität als Technik, als Allegorie und als Kraft von 1870 bis 1915 in die Theater Einzug hielt und dabei neue Formen der theatralen Wahrnehmung und Produktion mit sich brachte. Die unter dem Titel Energien des Spektakels. Zur Elektrifizierung des Theaters und der Theatralität der Elektrizität 1880-1920 eingereichte Habilitationsschrift fasst erste Ergebnisse zusammen: Abseits der klassischen Erzählungen von Theater- und Technikgeschichte verfolgte das Projekt die Theatralität der Elektrizität am Ende des 19. Jahrhunderts aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive, die Theater-, Medien- und Technikgeschichte zusammen dachte und eine Abgrenzung gegenüber positivistischen Werk-, Fortschritts-, oder national orientierten Kulturgeschichten suchte.
Erforscht wurde in dieser Projektphase erstens die Rolle der Verkörperungen von Elektrizität im Kontext der spektakulären Kultur des 19. Jahrhunderts; zweitens die Bedeutung von Elektrizität im Wandel der theatralen Ästhetiken und Programmatiken des 19. Jahrhunderts; sowie drittens die Rolle von Elektrizität als Mittel des Inszenierens und Regulierens in den Arbeitsprozessen des Theaters. Als zentral für dieses Projekt stellte sich die Erforschung neuer Kontrollstrukturen heraus, an deren Ende der Regisseur als Ingenieur des Theaters fungierte.
Mit der detailgenauen Rekonstruktion der Einführung von Elektrotechnik auf der Hinterbühne, ihrem Auftritt im Mittelpunkt der Ausstellungskultur des ausgehenden 19. Jahrhunderts und der langen Geschichte allegorischer und spektakulärer Verkörperungen der Elektrizität wird mit dieser Forschung eine neue Lesart der Theatergeschichte vorgeschlagen. Die Elektro-Ästhetik des Theaters wird als eine neue Ordnung der Sichtbarkeit beschrieben, die neu bestimmt, was gesehen werden kann und was nicht. Dabei tritt vor allem die Verbindung zu den Bemühungen der Moderne hervor, durch die Reformation von Hygiene und Kommunikation jene Wunden zu heilen, welche die industrielle Revolution der Gesellschaft geschlagen hatte.
Tagung 2016
Im Juli 2016 fand unter dem Titel "(An)ästhetiken der Elektrizität - (An)aesthetics of Electricity" eine internationale, sowie interdisziplinäre und hochrangig besetzte Konferenz zum Thema statt.
Wichtige Studien der Technikgeschichte, Kultursoziologie und Medienwissenschaften haben das Verhältnis von der Moderne und ihrer elektrischen Bedingtheit, das Wechselspiel von Technik und Ästhetik in den Blick genommen und neue Fragen und Perspektiven aufgeworfen. Die Tagung knüpfte hier an rezente historiographische Ansätze in der Wissenschafts- und Technikgeschichte und in den Kultur- und Kunstgeschichten an und initiierte einen innovativen Bezug zwischen verschiedenen disziplinären Perspektiven und historischen Epochen sowie eine Untersuchung von Kontinuitäten und Brüchen.
Tagungsprogramm
Personen und Kontakt
Prof. Dr. Ulf Otto
medien.twm@lrz.uni-muenchen.de
Publikationen im Projekt:
• »Energien des Spektakels. Zur Elektrifizierung des Theaters und der Theatralität der Elektrizität, 1880-1920.« Unveröffentlichte Habilitationsschrift, Veröffentlichung für April 2019 geplant.
• »Between Verité and Varieté. Representations of Electricity in 19th century Germany«, in: Centaurus 2015, 3/57 (Aug. 2015) [= Special Issue ’Electricity and Imagination’], hg. v. Koen Vermeir, S. 192–211 [peer-reviewed].
• »Tontechnik und Geräuschkunst. Zur Konstruktion reiner Klänge im Theater um 1900«, in: Sound und Performance. Positionen · Methoden · Analysen (Thurnauer Schriften zum Musiktheater, Bd. 27), hg. v. Wolf-Dieter Ernst, Anno Mungen, Nora Niethammer, Berenika Szymanski-Düll, Würzburg: Königshauses & Neumann 2015, S.101–118.
• »Auftritte der Sonne. Zur Genealogie des Scheinwerfens und Stimmungmachens«, in: Auftritte. Strategien des In-Erscheinung-Tretens in Künsten und Medien, Bielefeld: transcript, Bielefeld: transcript 2015, S. 85–104.
Miriam Höller M.A.
miriam.hoeller@lrz.uni-muenchen.de
Dissertationsprojekt: "Traditioneller Fortschritt. Die elektrische Moderne im provinziellen Hoftheater."